Spanien
Mit dem Reisemobil durch den Maestrazgo
Spanien bietet Reisemobilisten mehr als Sonne, Wasser und Badestrände an einer touristisch stark frequentierten Küste. Im Hinterland der Region Valencia entdeckte Otmar Steinbicker reizvolle Ziele für eine Frühlingstour.
Aus der fruchtbaren Ebene der Costa del Azahar, der Küste der Orangenblüte, ragt mächtig ein Felsblock ins Meer hinein, gekrönt von einer Festung, deren gewaltige Mauern im späten Abendlicht leuchten: Peñiscola.
Der landschaftlich wie strategisch günstig gelegene Ort hat früh Fremde angezogen, Eroberer zumeist. Ein Papst wurde später zum berühmtesten Einwohner von Peñiscola: Benedikt XIII. oder "Papa Luna", wie ihn die Spanier noch heute nennen. Dieser 1417 vom Konzil zu Konstanz abgesetzte Gegenpapst von Avignon trotzte nach seiner Flucht vom sicheren Peñiscola aus der römischen Kirchenmacht.
Die Festung und die sie umgebende Altstadt haben sich noch etwas von der früheren Ausstrahlung bewahrt und im kleinen Fischerhafen herrscht das übliche geschäftige Treiben. Nördlich und südlich der Stadt jedoch zieht sich entlang der schönen Sandstrände eine endlose Kette mehrstöckiger Hotelbauten.
Doch hinter diesem Küstenstreifen begegnet der Reisende noch dem historischen Reiz Spaniens bei einer Tour auf gut ausgebauten Straßen ins gebirgige Hinterland der Costa del Azahar, den Maestrazgo, eine raue Berglandschaft, in der sich alte Wehrdörfer an schroffe Hänge ducken und in deren Tälern Oliven- und Mandelbäume wachsen.
In dem kleinen Weiler Montalba, zwischen Peñiscola und Villa Franca del Cid, befinden sich in der Schlucht von Gasulla die berühmten Felszeichnungen von Remigia. Eugenio Barreda, der Wirt, hat den Schlüssel zu diesem Areal und ist gern bereit, seinen Gästen gegen ein Entgelt diese Dokumente der Vorzeit zu zeigen. Doch Geduld ist schon erforderlich. Drei Kilometer Fußmarsch über steinige Wege, die festes Schuhwerk erfordern, sind zu bewältigen.
Unter einem Felsüberhang haben die seltenen Kunstwerke jahrtausendelang Regen und Wind, Kälte und Hitze erstaunlich gut überdauert. Die zwischen 6000 und 4000 v. Chr. entstandenen Zeichnungen im Levantestil zeigen in roter Farbe Jäger, Bogenschützen, Stiere und Hirsche. Da hat ein Jäger ein Tier mit seinen Lanzen tödlich verwundet und dort verfolgt ein Stier einen Bogenschützen. Die Gruppe von Lanzenträgern, tanzt sie oder berät sie die Taktik der Jagd?
In der Ferne ist die Stadt Ares del Maestre zu sehen. Die Ruinen des Kastells auf dem Gipfel eines 1200 Meter hohen Bergrückens wirken wie eine verlassene Berberburg. Heute leben in dem geschichtsträchtigen Ort, von dem im Jahre 1232 König Jaime I. die Reconquista, die Vertreibung der Araber aus dem Königreich Valencia, startete, nur noch 370 Einwohner.
Der Bürgermeister persönlich weist das Reisemobil auf dem Dorfplatz ein, so dass auch nicht der Wendekreis des Busses behindert wird, der am nächsten Morgen in aller Frühe Einwohner zur Arbeit fährt. Nur wenige hundert Meter Fußweg sind durch die gotischen Bögen des Stadttores und durch alte Gassen hinauf zu den Ruinen des ehemaligen maurischen Kastells, von denen sich ein prächtiger Ausblick auf das von warmen Sonnenstrahlen beschienene Dorf bietet.
Zwischen Ares del Maestre und Villa Franca del Cid führt die Straße vorbei an sorgfältig angelegten Terrassenfeldern. Mit unbehauenen, aber sauber aufgeschichtete Steine hat man Mauern zwischen die einzelnen Felder gezogen, um sowohl die Felder von den Steinen zu säubern, als auch um die kostbare Ackerkrume vor dem Wind zu schützen. Cabanes, aus den gleichen aufgeschichteten Steinen errichtete runde Hütten, dienen als Unterstände für das Vieh. Die über Generationen in harter Arbeit angelegten Felder sind heute größtenteils dem Verfall preisgegeben, da sich so unter EG-Bedingungen nicht mehr gewinnbringend produzieren lasst und die Jungen lieber eine besser bezahlte Arbeit in den Küstenstädten suchen.
Kurz vor La Iglesuela del Cid überqueren die Reisenden den Fluss Rambla de las Truchas, den Grenzfluss zwischen den Provinzen Castellon und Teruel. Nur wenige Meter neben der neuen Straßenbrücke spannt sich noch eine alte gotische Brücke aus dem 15. Jh. über den Fluss.
Malerisch kommt schließlich La Iglesuela del Cid ins Blickfeld. Einige alte Paläste zeugen davon, dass das Dorf vor langer Zeit einmal reich gewesen sein muss. Jetzt leuchten die alten, weißen Häuser in den hellen Strahlen der Aprilsonne vor einem von Wolken fast schwarzen Himmel.
Auf den Höhen bei Cantavieja liegt noch ein wenig Schnee und die Nacht bringt Frost. Ein Bummel führt am nächsten Morgen durch das Dorf, wo alte Männer windgeschützt in den wärmenden Sonnenstrahlen sitzen, bis hin zum Ortsrand, wo sich schöne Ausblicke auf die Landschaft und die an einem Hang klebende Stadt bieten.
Durch eine weitgehend verlassene Berglandschaft zieht sich die Straße weiter nach Mirambel, ein wahres Kleinod mit einem wunderschön erhaltenen mittelalterlichen Stadtbild. 1981 erhielt Mirambel einen europäischen Preis für die gelungene Restaurierung. Bei einer anderen Lage wäre die Schönheit dieser Stadt sicherlich ein Touristenmagnet. Doch hierhin verirren sich bisher nur wenige Küstenbesucher.
Eher finden diese den Weg in das gar nicht mehr so weit entfernte Morella. Schon von weitem taucht die unverwechselbare Silhouette der Stadt aus der Landschaft auf. Der runde, terrassierte Hügel mit der lückenlosen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert und der über allem thronenden Zitadelle macht schon auf den ersten Blick den wehrhaften Charakter Morellas deutlich. Und wer ein wenig in der Stadtgeschichte blättert, findet die Spuren von Iberern und Römern, Westgoten, Arabern und christlichen Kriegern. Und die Krupp-Kanone oben auf der Zitadelle wurde noch in diesem Jahrhundert benutzt, im Bürgerkrieg der dreißiger Jahre zwischen Republikanern und Faschisten.
Morella bietet mehr, als sich in einem kurzen Rundgang erschließen lässt und ein Parkplatz nahe der Stadtmauer bietet sowohl einen schönen Ausblick auf die mächtige Ruine der Zitadelle als auch eine ruhige Übernachtung.
Auch südlich von Valencia, in der Provinz Alicante und schon nahe der berüchtigten Hotelskyline von Benidorm, lohnt sich ein Ausflug ins Hinterland. Von Oliva über Pego und Parcent führt eine kleine Straße hoch zum Pass Coll de Rates. Immer wieder bieten sich traumhafte Panoramablicke und hin und wieder auch ein Parkplatz. Durch die Berge geht es schließlich weiter über Callosa nach Guadalest. Eine grandiose Bergkulisse, ein in den Kalkstein gehauenes Castillo, am Steilhang klebende Häuser, der weiße Glockenturm der Kirche der Auferstehung Mariens und das Panorama des Stausees von Guadalest bieten einige der schönsten Fotomotive im Südosten Spaniens.
Durch eine abwechslungsreiche Berglandschaft gelangen die Reisenden schließlich nach Alcoy, einer größeren Industriestadt mit einer sehenswerten, durch mehrere Flusstäler stark zerklüfteten Altstadt. Das kleine archäologische Museum in der Calle Sant Miguel bewahrt einige schöne Stücke aus iberischer Zeit. Knapp 50 Kilometer nördlich liegt Xativa. Zwei Päpste kamen aus dieser Stadt, deren Zentrum von der eindrucksvollen Stiftskirche geprägt wird. Großartige Panoramablicke bieten sich vom mächtigen Burgberg über die Apfelsinenplantagen hinweg bis zum Meer. Kunstliebhaber werden nicht darauf verzichten wollen, nach einer Besichtigung der Ruinen des alten Kastells der nahegelegenen kleinen Kapelle San Feliú einen Besuch abzustatten, die u.a. eine Gemäldesammlung valencianischer Gotik birgt.
Otmar Steinbicker