Italien
Mit dem Reisemobil durch Sizilien
Sizilien zählt zu den schönsten Frühjahrs-Reisezielen in Europa. Um die Osterzeit herrschen hier schon frühsommerliche Temperaturen und die ganze Insel ist in eine unendliche Blütenpracht getaucht. Das ist die richtige Reisezeit, um die großartigen Tempel, Theater und Paläste zu besichtigen, die Griechen und Römer, Araber und Normannen auf der oftmals umkämpften Insel hinterließen. Otmar Steinbicker entdeckte bekannte und unbekannte Seiten von Sizilien.
Die abendliche Plauderei auf der komfortablen Fähre von Genua nach Palermo scheint die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Eindringlich warnt das mitreisende deutsch-italienische Ehepaar vor der Kriminalität auf Sizilien, vor allem im Bereich der Großstädte Palermo und Catania. Und dann landet das Schiff auch noch wegen einer Verspätung ausgerechnet kurz vor Mitternacht auf der wegen der Mafia berühmt-berüchtigten Insel.
Wenig beruhigend ist das deutlich sichtbare Hinweisschild "unbewacht" auf dem Parkplatz der Autobahnraststätte bei Termini Imerese, aber eine Übernachtungsalternative gibt es um diese Zeit kaum. Doch beim Aufwachen am nächsten Morgen fehlt nichts und die Welt ist wieder in Ordnung.
Erstes Ziel ist das an der Nordküste landschaftlich schön gelegene Seebad Cefalù. Der nach Angaben des ADAC-Campingführers ganzjährig geöffnete Platz hat am Wochenende vor Ostern noch geschlossen. Doch die gut deutsch sprechende Campingplatzbesitzerin bietet den Reisenden eine kostenlose Übernachtung vor der Schranke an.
Im warmen Licht des Spätnachmittags leuchten die Häuser im alten Hafen. Eine gute Gelegenheit, in einer Pasticceria ein traumhaft leckeres Nusseis zu probieren und erste Bekanntschaft mit den typisch sizilianischen dolce, einem feinen Mandelgebäck, zu schließen. Grund genug, die Besichtigung des wuchtigen Normannendoms, dessen Baugeschichte bis ins Jahr 1131 zurückreicht, bis zum nächsten Morgen zurückzustellen.
Weiter auf der Autobahn, bietet sich bei Messina ein grandioses Panorama auf die Stadt, die Meerenge und das kalabresische Festland. Anschließend zieht sich die Asphaltbahn der Sonne entgegen nach Süden.
Taormina ist ein Muss bei jeder Sizilien-Reise. Das römische Theater aus dem 2. Jahrhundert vor Christus ist nicht nur ein beeindruckendes Baudenkmal, sondern bietet darüber hinaus eines der schönsten Panoramen der ganzen Insel. Weit schweift der Blick über die zerklüftete Küstenlandschaft bis hin zum rauchenden Ätna, dessen Gipfel im Frühjahr schneebedeckt ist. Bei dieser Lage ist Taormina natürlich ein touristisches Zentrum mit einer Vielzahl von Geschäften, Bars und Restaurants. Lohnend ist auf jeden Fall ein Besuch in den Fotogeschäften, die zum Teil eine reiche Auswahl an alten Postkarten aus den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts feilbieten, als Taormina bereits ein bekanntes und beliebtes Reiseziel war. Mit dem Wohnmobil Taormina anzusteuern, ist wegen der engen Straßen nicht zu empfehlen. Sinnvoller ist es, das Fahrzeug auf einem Campingplatz an der Küste abzustellen und den Bus zu nehmen.
Auf dem weiteren Weg nach Süden lockt der Ätna zu einer Umrundung. Hinter Fiumefreddo schlängelt sich die Straße in Serpentinen den Hang hoch und führt zwischen Linguaglossa und Randazzo vorbei an schwarzen Lavamassen, die der Ätna vor nicht allzu langer Zeit ausgespuckt hat. Später wird auf diesem Lavaboden wie schon andernorts ein ausgezeichneter Wein gedeihen.
Über Randazzo, dessen Architektur von schwarzem Basalt geprägt ist, zieht sich die Straße weiter nach Bronte. Da gerade Markttag ist, bietet sich der Einkauf von frischem Gemüse an und natürlich von Pistazien, denn in der Gegend rund um Bronte wachsen die besten der Insel.
In Adrano beherrschen normannische Bauten das Stadtbild. Die Empfehlung, eine nahegelegene arabische Brücke aufzusuchen, wird zu einem kleinen Abenteuer, denn die letzte Etappe führt über eine wenig vertrauenserweckende Schotterpiste. Anwohner raten den Reisenden, sehr vorsichtig und langsam zu fahren, da die Piste sehr holperig und obendrein stellenweise recht schmal ist. Es gelingt schließlich, das Fahrzeug wohlbehalten bis zur Brücke zu steuern, doch durch das Geruckel hat sich die Kühlschranktür geöffnet und der Inhalt liegt weiträumig auf dem Fußboden. Dennoch, die malerische Brücke, die über einen schmalen, reißenden Fluss führt, lohnt den Abstecher.
Catania, die sizilianische Industriemetropole mit der hohen Kriminalitätsrate wird weiträumig umfahren, um weiter nach Süden auf Siracusa zuzusteuern, wo der berühmte griechische Naturwissenschaftler Archimedes bei der römischen Eroberung im Jahre 212 v. Chr. ums Leben kam.
Der archäologische Park des antiken Syrakus mit dem aus dem Felsen gehauenen griechischen Theater aus dem 5. Jahrhundert vor Christus, dem römischen Amphitheater und den Steinbrüchen gehört zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Insel. Wer hier auf den Geschmack kommt, der sollte auch dem regionalen Museum der Archäologie einen Besuch abstatten, das eine bedeutende Sammlung von Fundstücken aus den ehemaligen griechischen Kolonien in Süditalien birgt. Unweit des Museums lohnt ein Abstecher zur Kirche San Giovanni Evangelista aus dem 10. Jahrhundert mit der Krypta des hl. Marcian, eine der ältesten christlichen Kultstätten. Weniger durch antike Baudenkmäler geprägt, aber dennoch reizvoll ist die Altstadt Ortygia auf einer vorgelagerten kleinen Insel.
Vom klassischen Altertum ins Barock führt der Weg landeinwärts nach Noto. Nach einem großen Erdbeben im Jahre 1693 wurde das heutige Stadtbild mit eindrucksvollen Kirchen und Palästen sowie einer großzügigen Straßenführung angelegt. Reisemobilisten ist dennoch nicht zu empfehlen, mit dem Fahrzeug in den Stadtkern einzudringen, da die Straßen durch rücksichtsloses Parken stark eingeengt werden. Weiter landeinwärts geht es über Nebenstraßen nach Palazzolo Acréide mit seinem griechischen Theater, vorbei an verlassenen Terrassenfeldern und schließlich hinter Buccheri in die fruchtbare Hochebene, wo schon zu römischer Zeit Getreide angebaut wurde. Stolz erhebt sich auf einer Bergkuppe die Altstadt von Caltagirone. Doch das Ziel der Reisenden ist Piazza Armerina, der Ort mit den schönsten römischen Mosaikfunden außerhalb Nordafrikas.
Für die Übernachtung bietet sich der Parkplatz eines Restaurants unmittelbar neben dem Ausgrabungsgelände an. Das Abendessen brutzelt schon in der Pfanne, als ein Wächter des Geländes zum Fahrzeug kommt und die Crew einlädt, gegen 21 Uhr zu den Ausgrabungen zu kommen, dann sei alles schön angestrahlt. So kommen die Reisenden überraschend in den Genuss einer sehr ausführlichen, fast zweistündigen Führung. Der Wächter erklärt jedes einzelne der vielen Bilder und die dargestellten griechischen und römischen Mythologien. Auf Italienisch und mit soviel Geduld wiederholend, bis er sicher ist, verstanden worden zu sein. Zum Ausklang gibt es in der Wachstube noch Wein und ein Stück typisch sizilianischen Osterkuchen.
Durch eine wunderschöne hügelige Landschaft mit blumenbewachsenen Wiesen geht es am nächsten Tag weiter ins 1000 Meter hoch gelegene Enna, der Stadt, die von den alten Griechen als "Nabel Siziliens" bezeichnet wurde. Am Ortsanfang steigt eine Straße in Serpentinen den Berg an und führt direkt zum großen Parkplatz am normannischen Kastell. Ein Denkmal erinnert an den ersten Sklavenaufstand der Geschichte, als dort von 135-132 v.Chr. vier Jahre lang die Sklaven der römischen Militärmacht trotzten. Am Palmsonntag kündigen hier die Prozessionen verschiedener Bruderschaften in Büßergewändern den Beginn der Karwoche an.
Die großen griechischen Tempelanlagen locken schließlich weiter an die Südküste nach Agrigent, wo ein schöner Campingplatz bei San Leone zum verweilen einlädt und nach Selinunt.
Weiter westlich gibt es nur noch wenige Campingplätze und kaum einen, der zu dieser Jahreszeit geöffnet haben soll. So suchen die Reisenden bei Torreta Granitola einen schönen kleinen, freien Platz direkt am Meer und genießen einen herrlichen Sonnenuntergang. Fischerboote kreuzen auf dem Wasser, in dem die Sonne als glutroter Ball versinkt.
In Marsala, der Stadt des süßen Weines, findet sich ein Parkplatz am Meer, der von zwei selbsternannten Parkwächtern bewacht wird. Sehr Vertrauen erweckend sehen die beiden nicht gerade aus, dennoch machen sie für den üblichen Obolus von circa 2 DM ihre Arbeit gut. Für sie ist an diesem Gründonnerstag Hochsaison, denn am Nachmittag findet hier eine der schönsten Passionsprozessionen der Insel statt.
An der Küstenstraße zwischen Marsala und Trapani rücken Windmühlen ins Bild. Hier wurde und wird Salz gewonnen. Früher dienten die Mühlen dazu, das Meerwasser in spezielle Becken zu pumpen, wo das Wasser verdunstet und das Salz zurückbleibt. In Nubia, einem kleinen Nest nahe der Straße erinnert ein Salinenmuseum an das alte Handwerk der Salzgewinnung. Die alte Mühle, in der das Museum untergebracht ist, gehört zu den besterhaltendsten Windmühlen der Insel.
Steil windet sich die Serpentinenstraße von Trapani ins 750 Meter hoch gelegene Erice. Hier hoben auf dem abgeschiedenen, oftmals nebelverhangenen Berg hat sich die mittelalterliche Architektur des Dorfes noch gut erhalten können. Doch in Erice reizt nicht nur das Alte. Ganz frisch müssen hier die Dolce gegessen werden, ein sündhaft leckeres Marzipangebäck, das in mehreren Formen und Geschmacksnuancen angeboten wird.
Die Straße SS 167 führt nach Castellammare del Golfo. Ein Aussichtsparkplatz hoch über der Stadt bietet ein grandioses Panorama. Am späten Nachmittag machen die Fischer im alten Hafen ihre Boote zum Auslaufen klar. Wer jedoch direkt zu den griechischen Ruinen nach Segesta fahren möchte, gelangt auf der Autobahn von Trapani zu den griechischen Ruinen. Diese Straße war in den sechziger Jahren Schauplatz eines spektakulären Verbrechens, als die Mafia die Leichen ihrer Gegner in den frischen Beton der Brückenträger werfen ließ.
Auf dem Weg nach Monreale ist die SS 186 hinter Borgetto plötzlich gesperrt. "Durchfahrt verboten" heißt es auf den Schildern. Ein Umleitungshinweis ist nirgends zu sehen, also heißt es zurück in den letzten Ort, um bei einer Tankstelle nach einer alternativen Route zu fragen. Der Tankwart rät, einfach die gesperrte Straße weiterzufahren. Vor sechs Jahren habe es einen Erdrutsch gegeben, seitdem stünden die Schilder da, aber die Straße sei mittlerweile geräumt und gut befahrbar. Als die Reisenden mit offenem Mund staunen, wiederholt er diese Auskunft auch noch einmal auf deutsch. Und in der Tat, bis auf einige größere Schlaglöcher ist die Straße ohne Probleme zu befahren.
Nach einem Besuch des Domes von Monreale mit seinen großartigen Fresken und Mosaiken führt die Straße nach Palermo fast direkt an den Katakomben der Kapuziner mit einer makabren Ausstellung erstaunlich gut erhaltener Leichen vorbei.
Im Stadtzentrum von Palermo einen sicheren Parkplatz zu finden, ist Glücksache. Bewachte Plätze gibt es offiziell nicht, doch in einer Seitenstraße nahe dem Normannenpalast bewachen zwei Rentner die abgestellten Fahrzeuge. Einer der beiden ist gleich bereit, auch ein Auge auf das Wohnmobil zu werfen und hilft beim Einparken in die schmale Parklücke. So bleibt genügend Zeit und Ruhe, um bei einem ausführlichen Stadtbummel den Normannenpalast mit der Cappella Palatina, die bedeutendsten Kirchen und das Archäologische Museum zu besichtigen.
Otmar Steinbicker