Mit Reisemobil und Fahrrad den Niederrhein entdecken
Im Xantener Ortsteil Birten, am Fuße des Fürstenberges, hatten die Römer unter Kaiser Augustus im Jahre 15. v. Chr. ein großes Militärlager, Castra Vetera, errichtet. Von hier startete Varus seine verhängnisvolle Militärexpedition, die bekanntlich, im Teutoburger Wald mit der vernichtenden Niederlage gegen die Germanen des Arminius endete. Erhalten blieb aus dieser Zeit der ovale Erdwall des Amphitheaters, das einst rund 10.000 Zuschauern Platz bot. Heute nutzt eine Freilichtbühne in den Sommermonaten die historische Einrichtung.
Heute zieht es auch Reisemobilisten an den Fürstenberg. Der „WoMoPark“ großzügig angelegte Stellplatz für 70 Mobile bietet parzellierte Flächen von 60 bis 70 Quadratmetern.
Über den Fürstenberg hinweg zogen die Römer nach Xanten, wo sie später, um 100 n. Chr. die Stadt Colonia Ulpia Traiana gründeten.
Da die Stadt später nicht überbaut wurde, haben heute die Archäologen ein weites Feld für Untersuchungen über das Römerleben in Deutschland. Ein Besuch im Archäologischen Park ist jedoch nicht für Historiker von Interesse. Allzu trockene Vertreter der Historikerzunft schmähen den Park zwar als "historisches Disneyland", doch nicht kommerzielle Interessen bestimmen hier, sondern ernsthafte Archäologen bemühen sich anhand ihrer Funde um eine möglichst authentische Rekonstruktion antiker Bauten. Zu den so geschaffenen Sehenswürdigkeiten gehören ein Teil der Stadtmauer, das Nordtor, das Amphitheater, eine römische Herberge mit anschließender Thermenanlage, sowie die Ruine des Hafentempels. Dabei kommt der Unterhaltungswert keineswegs zu kurz: In einem Haus in der Südecke des Parks können nicht nur die jungen Besucher antike Gesellschafts- und Geschicklichkeitsspiele spielen.
Aber Xanten ist mehr als die Erinnerung an die alten Römer. Ihre Blüte erlebte die Stadt im Mittelalter als stolze Bauwerke wie der Dom mit seinen prachtvollen Altären und das mächtige Klever Tor, eine Doppeltoranlage der Stadtbefestigung aus dem Jahr 1393 entstanden. Jüngeren Datums ist dagegen die Kriemhildmühle, eine Windmühle, die nach 1778 gebaut und in den 1990er Jahren von einem Bäckermeister liebevoll renoviert wurde. Bei gutem Wind läßt er die Flügel sich drehen, um Mehl zu mahlen, das er zu schmackhaftem Vollwert-Brot und Gebäck weiterverarbeitet.
Für eine Radtour heißt es strampeln, denn für die ansonsten so flache Niederrhein-Landschaft wird es ungewohnt hügelig, schließlich geht es in die Schweiz, genauer gesagt die Sonsbecker Schweiz. Hier gibt es kein Matterhorn. Gerade 100 Meter über den Meeresspiegel erhebt sich der Dürsberg und zählt damit immerhin zu den höchsten Erhebungen des niederrheinischen Höhenrückens. Von seinem Aussichtsturm schweift der Blick auf ein großartiges Panorama der niederrheinischen Flußterassenlandschaft.
Der Weg zurück nach Sonsbeck führt vorbei am Römerturm, eigentlich ein Überrest einer gräflich-klevischen Mühle aus dem 15. Jahrhundert. Aber weil zuvor dort an der alten römischen Heerstraße von Xanten nach Venlo ein römischer Wachtturm gestanden hat, heißt der Mühlenstumpf im Volksmund noch heute „Römerturm“.
Etwas versteckt, auf dem Gelände des nahen Altersheims, findet sich eine Sehenswürdigkeit besonderer Art: die Gerebernus-Kapelle aus dem 15. Jahrhundert. Der 1784 geschaffene Gerebernus-Altar gehört zu der sehr seltenen Spezies der Kriechaltäre. Sein Altarblock hat einen Durchlass unterhalb des Altartisches, unter dem früher die Pilger als Bußübung durchkrochen. Noch heute kann man im Steinboden die Rillen sehen, die die Holzschuhe der Gläubigen hinein schliffen.
Pilgerziele gab es früher viele am Niederrhein und einige von ihnen werden auch heute noch aufgesucht. Der bekannteste Wallfahrtsort, Kevelaer, zieht jährlich zwischen Ende Juni und endet Allerheiligen Pilger aus ganz Europa an. Der Legende nach hatte der Handelsmann Heinrich Busman während des Dreißigjährigen Krieges am Wegkreuz auf der Kevelaerer Heide eine Erscheinung und bis auf das Jahr 1642 geht die Wallfahrtstradition zurück. Heute reihen sich im den Pilgerbezirk mit Wallfahrtskirche und Gnadenkapelle Hotels und Geschäfte, die Kerzen und religiöse Souvenirs von Kunsthandwerk bis Kitsch anbieten. Sogar für Reisemobilisten gibt es in Goch eine spezielle „Arnold-Janssen-Reisemobilwallfahrt“. Im Juli 2017 feierte man bereits das zehnjährige Jubiläum. Der Reisemobil-Stellplatz in Goch gehört zur absoluten Spitzenklasse deutscher Reisemobil-Stellplätze und ist allemal einen Aufenthalt wert, zumal der historische Ortskern noch mittelalterliche Bauten aufweisen kann.
Nicht nur Wallfahrer kamen in früheren Jahrhunderten an den Niederrhein, um für ihr Seelenheil zu sorgen. Auch Könige fanden den Weg in die Region, der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. ebenso wie Friedrich der Große. Letzterer holte sich hier die Ideen für sein Schloss Sanssouci. Die barocken Terrassenanlagen von Kloster Kamp im heutigen Kamp-Lintfort hatten ihn fasziniert. Noch heute sticht die Ähnlichkeit mit der Potsdamer Anlage ins Auge.
Doch das 1123 von Mönchen aus dem französischen Morimond als erstes Zisterzienserkloster auf deutschem Boden gegründete Kloster Kamp brachte nicht nur die Preußen auf gute Ideen. Die Niederrheiner lernten von den frommen Männern die Kenntnisse des Salatanbaus, der Sauerkrautproduktion und des Windmühlenbaus. Später wurde Kamp-Lintfort zum Zentrum des Bergbaus am linken Niederrhein. Die Bergarbeitersiedlung der Zeche Friedrich Heinrich war die größte geschlossene Bergarbeitersiedlung des Ruhrgebietes und wurde mit erheblichen Landes- und Bundesmitteln beispielhaft und substanzerhaltend modernisiert. Heute ist sie ein architektonisches Schmuckstück der Stadt.
Eine besonders schöne und beliebte Aussicht auf den Rhein bietet die Rheinpromenade in Rees. An Wochenenden finden sich in der Stadt nicht nur Reisemobilisten aus verschiedenen Regionen Deutschlands, sondern auch aus der näheren Umgebung, Familien mit Kind und Kegel, Jungverliebte und andere, die einfach nur die schöne Landschaftskulisse genießen und den vorbeiziehenden Schiffen zuschauen wollen. Dabei hat Rees noch mehr zu bieten. Die Stadt wurde während des Achtzigjährigen Krieges der Niederländer gegen die spanische Besatzung zu einer starken Festung ausgebaut. Große Teile dieser alten Stadtbefestigung, Mauern und Türme, sind bis heute erhalten geblieben.
Nur wenige Kilometer entfernt, lässt sich auf einer Radtour der malerische, von Seerosen bestandene Biener Altrhein erkunden. Im 16. Jahrhundert wurde er vom Rhein abgetrennt und bietet als eines der wenigen Überbleibsel ursprünglicher Niederrhein-Landschaft seltenen Vogelarten, wie Trauerseeschwalbe, Rohrdommel oder Baumfalke eine Heimat. Eine landschaftlich besonders reizvolle Radtour führt von Rees am Altrhein vorbei nach Emmerich an. Zurück an der Rheinpromenade in Rees lässt sich beobachten, wie die letzten Sonnenstrahlen den Fluss in ein warmes Licht tauchen und schließlich die Sonne hinter der Rheinbrücke versinkt.
Zu den schönsten Zielen am Niederrhein gehört das Städtchen Kalkar, das bundesweit in den 1970er Jahren durch die Investitionsruine des „Schnellen Brüters“ bekannt wurde. Stolze Giebelhäuser aus dem 14. bis 16. Jahrhundert säumen den Marktplatz, der von dem dreigeschossigen, mit Turm und Zinnen bewehrten Rathaus dominiert wird. Im 15. Jahrhundert, zur Blütezeit der Stadt, lebten in Kalkar bereits mehr als 4.000 Einwohner vor allem von der Wollweberei. Vom einstigen Reichtum künden nicht nur die alten Häuser im Zentrum, sondern auf besondere Weise die Altäre der Nicolai-Kirche, die zu den bedeutendsten Zeugnissen der deutschen Holzschnitzkunst des ausgehenden Mittelalters und der Renaissance gehören.
Radwanderer werden von Kalkar aus Schloss Moyland ansteuern, jene Wasserburg aus dem 15. Bis 17. Jahrhundert, die einst den Kurfürsten von Brandenburg und den späteren Königen von Preußen gehörte und in der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg Liebeswonnen mit der siebzehnjährigen Emmericher Gastwirtstochter Katharina Ryckers erlebte, die als „Schön-Kätchen von Emmerich“ in die Geschichte einging. Im Jahre 1740 begegneten sich hier der junge Preußenkönig Friedrich II. und der französische Philosoph Voltaire. Im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, wurde das Schloss in den 1990er Jahren wieder aufgebaut, um 50.000 Kunstwerken Platz zu bieten, darunter die 4000 Objekte umfassende Sammlung Beuys der Brüder van der Grinten.
Auch Kleve ist im Rahmen einer Tagesradtour zu erreichen. Schon von weitem ist die Schwanenburg auf den Ausläufern der Reichswaldhügel zu erkennen. Die steile Lage auf dem Kliff hat der Stadt den Namen gegeben: Kleve. Als „Schwanenburg“ wurde das Klever Grafenschloss allerdings erst von den Romantikern des 19. Jahrhunderts bezeichnet, die hier der fast tausend Jahre alten Sage von Elsa von Brabant und dem Ritter Lohengrin nachspürten.
Wer nach soviel Kultur Ruhe und Landschaftsgenuss sucht, findet nördlich von Kleve eine der schönsten Radwanderetappen am Niederrhein. Auf dem Drususdeich geht es vorbei an kleinen Gewässern und Viehweiden nach Wardhausen und entlang eines Altrheinarms nach Griethausen, wo Technikfreaks die älteste erhaltene Stahlbrücke Westdeutschlands (1863-1865) bewundern können. Selbst Dünen, mit denen hier kaum jemand rechnen würde, gibt es zu sehen. Bei Wissel haben vermutlich im Spätmittelalter die Westwinde feinen Flugsand bis zu acht Meter hohen Dünen aufgetürmt.
Freunde des Edelgemüses Spargel zieht es dagegen eher nach Süden: In Walbeck, einem Ortsteil von Geldern, sowie in dem zu Goch gehörenden Dörfchen Kessel bringt der leichte Sandboden eine ausgezeichnete Spargelqualität hervor. Schließlich gilt bei Spargelbauern die Regel: Je leichter der Boden, desto schneller kann der Spargel wachsen und je schneller der Spargel wächst, desto zarter ist er. In den Monaten Mai und Juni sollte man daher unbedingt einen Besuch beim Spargelbauern oder in einem Spargelrestaurant einplanen.